Haushaltsrede 2024

Lippstadt, 26.02.2024

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Moritz,
sehr geehrter Herr Tydecks,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrte Mitmenschen dieser Stadt,

Ich beginne jetzt dramatisch.
Krieg und Vertreibung – Hacker-Angriffe – Klimawandel – Umwelt-Katastrophen – Inflation – Hass und Hetze

Die Liste der Probleme ist lang und fordert uns viel ab.

Wenn ich durch unsere Stadt gehe, und ich finde sie wirklich schön und lebenswert über die Langestraße oder durch den Grünen Winkel und ich treffe die vielen Menschen die ich kenne, dann kann ich entspannen und für einen Moment die Krisen dieser Welt vergessen … oder vielleicht auch nur verdrängen?

Doch das gilt nur für den Moment.
Die komplizierten Situationen weltweit und die Herausforderungen unserer Stadt sind dadurch nicht weg. Sie verschwinden nicht von selbst.

Unsere Aufgabe – nicht nur als Rat – sondern als Menschen ist es, die Augen nicht zu verschließen, sondern aktuelle Probleme beherzt anzugehen und die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft zu setzen. Ein wichtiger Baustein dabei ist, das große Engagement der vielen Menschen unserer Stadt auf allen Ebenen zu unterstützen.

Die Klimaerwärmung und der demografischen Wandel bringen unsere Lebensgrundlagen aus dem Gleichgewicht und bringen nie dagewesene soziale Herausforderungen.

Die Aufgaben liegen auf dem Tisch:
Die nachhaltige Transformation von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft.

Das alles erfordert finanzielle Spielräume. Und selbstverständlich müssen Prioritäten gesetzt werden. Doch immer wieder die Keule der drohenden Haushaltssicherung zu schwingen, ist aus unserer Sicht der falsche Ansatz. Für die ausgelasteten Verwaltungskapazitäten müssen kluge Konzepte entwickelt werden, die eine zukunftsfähige Stadtentwicklung ermöglichen.

Das EU-Parlament und auch die Bundes- und Landesregierungen haben erkannt, dass die Transformation auch finanzielle Herausforderungen insbesondere für Kommunen beinhaltet und legen auch weiterhin Fördertöpfe genau mit diesen Schwerpunkten auf. Durch die EU-Taxonomie-Verordnung werden diese Ansprüche noch weiter steigen.

Anstatt die Anforderungen anzunehmen, laufen wir als Stadt hinterher.

Lippstadt ist weiterhin eine wachsende Stadt, das so toll und sie wird natürlich auch älter. Viele unserer ansässigen Unternehmen haben die Transformation als Chance erkannt langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Gelingende Integration von Geflüchteten, nachhaltige Infrastrukturmaßnahmen und eine gute Wirtschaftsförderung und Zentrenmanagement leisten dazu ihren Beitrag.

Der vom Interims-Kämmerer und Bürgermeister eingebrachte Haushalt lässt erneut in vielen Bereichen die nachhaltige Priorisierung vermissen. Der Stadtentwicklungsausschuss wird während der Haushaltsberatungen sogar „wegen keinen Beratungspunkten“ abgesagt. Aus reiner Haushaltssicht ist natürlich auf den ersten Blick wenig im SEA zu beschließen. Doch hier wurde die Möglichkeit vertan, viele der mittelfristigen Investitionen im Hinblick auf Beitrag zu Klimaschutz und -anpassung, Digitalisierung und gesellschaftlichen Wandel zu diskutieren und tatsächlich zu priorisieren. Es ist unsere Pflicht, die Teilhabe aller am öffentlichen Leben zu ermöglichen und damit auch Maßnahmen zum Thema Barrierefreiheit dringend anzugehen. Für diese Diskussionen muss aber Transparenz hergestellt und der Wille für kreative Lösungen aufgebracht werden.

Bei der Digitalisierung konnten wir von den Fördermitteln für die Hardware in den Schulen gut profitieren, aber die eigentliche Strategie musste dann eher aus dem Ärmel geschüttelt werden. Wie uns auch die Gemeindeprüfungsaufsicht bescheinigt hat, ist es bei den eigentlichen Verwaltungsaufgaben fatal nicht mit Hochdruck bei der Digitalisierung tätig zu werden. Auch hauptsächlich auf das Stadthaus zu hoffen, greift zu kurz, wenn der eigentliche Prozess nicht heute schon- digital mitgedacht wird. Die Ausstattung der Mitarbeitenden mit iPads ist hilfreich, aber so etwas muss in eine Gesamtstrategie eingebettet sein. Am Ende zum Beispiel zwei Endgeräte pro Person zu haben ist weder nachhaltig noch anwendungsfreundlich.

Wie Klimaschutz und Klimaanpassung sich auch gegenseitig unterstützen hat man am letzten Hochwasser eindrücklich erleben können. Die Renaturierung hat uns nicht nur eine deutlich breitere Pflanzen- und Tierwelt in der Aue beschert, sie hat auch die Hochwasserschäden an der Lippe in Grenzen gehalten und uns damit vor weitaus höheren Kosten bewahrt, die im schlimmsten Falle nicht nur finanzieller Natur gewesen wären. Es zeigt uns aber auch sehr deutlich, wie wichtig die tatsächliche Umsetzung von Renaturierungen sind. Der fachlich kompetente, kräftezehrende Einsatz über die Weihnachtsfeiertage der vielen Profis und Ehrenamtlichen haben Schlimmeres an der Glenne verhindert. Das Hochwasser mahnt uns allerdings, der Natur auch ihren Raum zu geben, wie man an den noch nicht bezifferten Schäden an der Jahnsporthalle ableiten kann. Inwieweit dieses Ereignis den Haushalt 2024 belasten wird, ist aktuell noch nicht absehbar. Projekte nicht auch immer fokussiert aus Sicht der Klimaauswirkungen zu denken, hat nun schon mehrfach zu zusätzlicher Verwaltungsarbeit und zusätzlichen Kosten geführt.

Abgesehen davon, dass wir als Grüne dem beschlossenen Stadthausneubau nicht zustimmen konnten: Ohne die von uns angeregten Änderungen zur besseren Klimaanpassungsmaßnahmen und Energiestandards des Stadthausneubaues, wäre dieses nicht förderfähig. Trotzdem werden genau diese Änderungen weiterhin öffentlich als Preistreiber dargestellt.

Kommen wir zum nächsten Thema:
Die Zurückstellung der Verlegung des Busbahnhofes ist auf Grund der sehr sinnvollen Überprüfung einer neuen Personen-Bahn-Anbindung nach Warstein und Münster richtig. Ein einfach so streichen dieser Maßnahme aus den QSA haben wir bei der damaligen Beschlussfassung schon kommen sehen. Auch für diesen Bereich gehören dann nun Alternativen geprüft, um die Mobilitätswende kurzfristig zu stärken. Hier geht es uns allerdings nicht um die Schaffung von weniger frequentierten Fahrradstraßen zu Lasten von Alleen, sondern um eine Umsetzung des nachhaltigen Verkehrsentwicklungsplanes und der Stärkung des ÖPNVs.“

Bei einem weiteren Projekt, der Welle, lagen die Hoffnungen auf Fördermitteln im Rahmen der NaturTalenteLippe. Dies hat sich aktuell zerschlagen. Zu einer wahrhaftigen Auseinandersetzung mit der Realität gehört es dann aus unserer Sicht auch, den vielen engagierten Menschen ganz deutlich klarzumachen, dass dieses Projekt bei allen anderen anstehenden Projekten nur mit privaten Geldern möglich sein wird, anstatt es einfach im Haushalt zu belassen. Sich dann weiter einzusetzen und zum Beispiel in der Fußgängerzone Spende zu sammeln ist jedem unbenommen und vielleicht keine schlechte Idee.

Die weiteren Bestandteile des interkommunalen Projektes NaturTalenteLippe ist in den Haushalt aufgenommen worden. An diesem Projekt zeigt sich, wie man nicht nur den Tourismus naturverträglich stärken kann.

Wir können uns als Stadt glücklich schätzen, auch in kommunaler Hand eine Wohnungsbaugenossenschaft zu haben, die bezahlbarem Wohnraum schafft. Grundsätzlich wird allerdings bei den Baugebieten immer noch viel zu viel Wert auf Einfamilienhäuser gelegt. Bei einer alternden Gesellschaft mit zukünftig geringeren Renten müssen wir insbesondere in den Ortsteilen kleinere, bezahlbare, energiearme, barrierefreie Wohneinheiten, auch als Eigentumswohnungen, schaffen. So können die Menschen in der Nähe ihrer Familie und dem gewohnten Umfeld bleiben. Wenn die Einfamilienhäuser den Besitzer wechseln, werden so auch Investitionen in energetische Sanierungen des Hauses angestoßen.

Nicht nur in den Ortsteilen, sondern insgesamt, müssen wir mehr geförderten Wohnraum in Baugebieten vorschreiben. Durch Mehrfamilienhäuser können wir auch den massiven Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung eindämmen.

Wir als GRÜNE, haben im Gegensatz zu anderen Parteien nicht vorschnell und möglichst öffentlichkeitswirksam, sondern unter Abwägung der uns vorliegenden Fakten positiv zum Lehrschwimmbecken Dedinghausen positioniert. In den beschlossenen Klimasteckbriefen ist ein Baustein die energetische Sanierung aller öffentlichen Gebäude. Gleichzeitig ist ein grundsätzliches Nachhaltigkeitskriterium die Lebensverhältnisse zwischen Land und Stadt gleichwertig zu erhalten. Beide Kriterien spielten bei der Abwägung von Seiten der Verwaltung bisher keine Rolle. Warum? In unserem Antrag haben wir explizit auf Fördermittel für diesen Bereich hingewiesen und es freut uns, dass dies nun aufgegriffen wurde.

Wir sehen auch aufgrund dieser Erfahrungen weiteren dringenden Handlungsbedarf im Bereich der Fördermittelakquise. Auf Förderlandschaft, Förderanträge und rechtliche Einordnung spezialisierte Mitarbeitende können die Fachleute in ihren Fachbereichen entlasten.

In dem von uns eingeforderten Personalbericht und den Ausführungen in zahlreichen Ausschusssitzungen werden die hohe Fluktuation und die vielen Stellenbesetzungsverfahren deutlich. Ein Baustein sind moderne Arbeitsplätze, viel wichtiger ist aber ein wertschätzender Umgang. Eine gut aufgestellte Personalentwicklung ist für uns dafür unabdingbar. Neben der Unterstützung der Vorgesetzten bei den Fortbildungs- und Schulungsplanungen, muss auch zeitgerecht auf Änderungswünsche von Mitarbeitenden auf Grund veränderter Lebensphasen reagiert werden können.

Bei der Haushaltseinbringung als Verwaltungsspitze auf die schwierige Haushaltslage hinzuweisen, dann aber über Veränderungsblätter ohne nachvollziehbare Gegenfinanzierungsmaßnahmen Millionenbeträge für nicht ausreichend transparente Geschäfte einzubringen, ist grob fahrlässig.

Den möglichen zukünftigen Feuerwehrstandort für Q1 2024 anzukündigen und dann keine Haushaltsmittel für ggf. Kauf oder erste Planungsaufgaben in den Haushalt einzustellen und dieses Pflichtaufgabenprojekt erst ab 2026 einzustellen ist völlig unzureichend. Es beruhigt mich sehr, dass zumindest dieser Punkt von einer breiten politischen Mehrheit auch so gesehen wird.

Es ist unabdingbar, dass wir bei den städtebaulichen Themen alle gemeinsam mit der Verwaltung fachlich konstruktiv und vor allem ehrlich zusammenarbeiten, um aus verschiedenen Alternativen die beste tragfähige und nachhaltigste Lösung zu erarbeiten.

Ich danke den anderen demokratischen Fraktionen für den konstruktiven Austausch im letzten Jahr. Zukünftig sollten wir noch intensiver in Vertrauen und Ehrlichkeit die Themen unserer Stadt angehen und gemeinsam gestalten. Die Aufstellung der Kulturförderrichtlinien oder die Ausgestaltung der Finanzierung der Tagespflegepersonen sind sehr gute Beispiele, wie auch schwierige Themen gemeinsam gelöst werden können. Auch die gemeinsame Konzeptentwicklung im Bereich des Stadtmuseums und der Marktplatzgestaltung und das weitere Vorgehen zur Walibo-Therme werden weiter gemeinsam beraten.

So sieht gelebte Demokratie aus!

In diesen Zeiten, da es bisher noch kein Jugendparlament gibt, ist es umso wichtiger Jugendlichen demokratische Erfahrungen zu ermöglichen. Wenn die große Sorge um den Erhalt unserer Demokratie auch in Lippstadt so viele Menschen wie noch nie zuvor auf die Straße treibt, ist nicht nachvollziehbar, die kleine Summe für den Schülerhaushalt nicht einzustellen. Wie kreativ und verantwortungsbewusst die Mittel von den Jugendlichen eingesetzt werden, hat der Schülerhaushalt 2023 gezeigt. Die daraus angeschafften Akustiksessel sind insbesondere für Ganztagsschulen wichtige Ruheinseln, die eine deutlich bessere Lernatmosphäre für alle schaffen und gleichzeitig für mehr Inklusion sorgen. Wir sollten uns bei den Jugendlichen bedanken, von Ihnen lernen und alle Schulen mit Akustiksesseln ausstatten, statt auch noch den Schülerhaushalt zu streichen.

Demokratie! zu erlernen, bedeutet auch Handlungsspielräume mit anderen gemeinsam nutzen zu können und nicht als Bittsteller unterwegs zu sein. Wenn wir wollen, dass auch die jüngeren sich politisch einbringen, müssen sie sich auch demokratisch ausprobieren dürfen.

Zusammenfassend ist der vorgelegte Haushalt nicht nachhaltig priorisiert. Wichtige Zukunftsthemen werden auf unbestimmte Zeit verschoben, während zeitlich intransparente Geschäfte mit unbekannten finanziellen Risiken in Millionenhöhe hinzukommen.

Wir erwarten einen transparenteren ehrlichen Umgang mit der Stadtgesellschaft und diesem Gremium, auch mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung unserer Kommune, ohne ständige kurzfristige Überraschungen mit Entscheidungsnot. Ich weiß, da ist viel Luft nach oben.

Dem Haushalt 2024 können wir leider erneut nicht zustimmen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elisabeth Körner
Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rat der Stadt Lippstadt