Sehr geehrte Mitmenschen dieser Stadt,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Moritz,
sehr geehrter Herr Tydecks,
endlich ist es soweit, wir dürfen persönlich unsere erste Haushaltsrede in dieser Ratsperiode halten. Dies zeigt, wie lange gesellschaftliches und politisches Leben in unserer Stadt durch die Coronapandemie extrem eingeschränkt war. Die Auswirkungen werden wir wirtschaftlich in einigen Branchen, auf sozialer und schulischer Ebene noch in Jahren spüren.
Auch der schreckliche russische Krieg gegen die Ukraine hat nicht nur globale, sondern auch sehr lokale Auswirkungen. Gleichzeitig sind weitere Konflikte aufgeflammt, Armut und Hunger haben sich weltweit verschärft, sodass auch aus anderen Ländern viel mehr Menschen in Deutschland und damit auch in Lippstadt Zuflucht suchen. Unsere Fraktion sagt an dieser Stelle Danke an alle Menschen in Lippstadt, Unternehmen und Vereine die sich für Geflüchtete auf den verschiedensten Ebenen einsetzen, sei es durch Spenden, Wohnraum, Sprach- oder andere Freizeitangebote. Auch innerhalb der Verwaltung wurden hier viele Hebel in Bewegung gesetzt und aus den Erfahrungen aus 2015 gelernt. Leider ist auch in diesem Jahr kein Ende des Zustroms zu erwarten. Der Haushalt 2023 spiegelt diese Entwicklungen in den Kosten und Investitionen nicht wider.
Deshalb fordern wir, auch wenn diese größtenteils gegenfinanziert werden, realistische Haushaltsansätze.
Der Ansatz für die Schulen ist in Sachen Digitalisierung gut ausgestattet, hier gilt auch die EDV-Arbeit an den Schulen weiter auszubauen und die Lehrenden weiter zu schulen, um die Anwendung von digitalen Angeboten zu erhöhen und einen motivierenden und effektiven Unterricht anbieten zu können.
Sowohl durch Schutzsuchende als auch durch die Geburtenrate ist Lippstadt weiterhin eine wachsende Stadt und damit ist die Zahl der schulpflichtigen Kinder hoch. Die Schule ist zentraler Ort des Lebens und muss auch den entsprechenden Raum zur Verfügung stellen.
Die für 2023 konkret geplanten Investitionen decken nur den aller notwendigsten Rahmen ab. Unabhängig davon, ob es in Zukunft einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung geben wird, zeigt sich in Lippstadt der steigende Bedarf an Plätzen. Zuverlässige und gute Kinderbetreuung ist nicht nur für unsere Kinder wichtig, sondern auch ein Wirtschaftsfaktor.
Es gilt die eingeplanten Mittel nicht nur zu verplanen, sondern kurzfristig mit konkreten Projekten zu hinterlegen und auch umzusetzen.
In meiner schriftlichen Haushaltsrede in 2021 habe ich geschrieben: „Aktuell merken wir in Deutschland schon die Auswirkungen der vorhandenen Erwärmung durch stärkere Hochwasser, Sturmereignisse und Hitzephasen. Deshalb gilt es, den Brand- und Katastrophenschutz weiterhin auf sichere Füße zu stellen.“
Wie eindrücklich hat uns Emmelinde dies am 20.Mai 2022 vor Augen geführt. Ohne die vielen Freiwilligen, aber insbesondere die Feuerwehrleute und den Baubetriebshof wären die gefährlichen Stellen nicht so schnell gesichert und die ersten Aufräumarbeiten nicht so schnell erledigt worden. Vielen Dank.
Der Haushalt enthält in allen Bereichen die benötigten Mittel, um die Feuerwehr gut auszustatten.
Es gilt in diesem Jahr allerdings zu klären, wie die Hauptwache der Zukunft aussehen muss, damit nicht erst 2026, wie im Haushalt vorgesehen mit der Planung begonnen wird. Zusätzlich bedarf es auch der weiteren organisatorischen Anpassung, damit das Arbeitsumfeld trotz der hohen Belastungen attraktiv ist.
Der Tornado hat auch das Stadtmuseum beschädigt. Es ist gut, dass hier die Reparaturen im Haushalt eingeplant sind. Zusammen mit fast allen Fraktionen konnte nun auch der weitere Schritt eines Konzept- Architektenwettbewerbs und die Sanierung angestoßen werden. Ziel ist es, die Erweiterung und die Gestaltung des gesamten Bereiches des Marktplatzes zu planen. Diese Investitionen können zu einem großen Teil mit einem klugen Konzept durch Fördermittel finanziert werden. Das im letzten Jahr beschlossene Zentrenmanagement sollte hier weitere Impulse geben und auch die sich im Wandel befindliche Innenstadt stärken.
Im Kulturbereich geht es in diesem Jahr auch um Zuständigkeiten und Verantwortung. Die KWL hat mit dem verabschiedeten Tourismuskonzept und der neuen Organisationsstruktur in 2022 einen ersten großen Schritt gemacht. Mit den Corona-Lockerungen ist auch das kulturelle Leben wiedererwacht. Eine erfreulich stark gewachsene Zahl von Menschen aus Lippstadt bringt eine Vielzahl von innovativen und kreativen Ideen ein. Die Anträge der Kulturschaffenden haben dies eindrücklich gezeigt. Ich freue mich auf die neuen Impulse und Projekte, die sich daraus ergeben werden. Neben der KWL muss allerdings auch der Kulturbereich in der Verwaltung entsprechend aufgestellt sein. Dazu bedarf es aus unserer Sicht weiterhin des Neuaufbaus eines eigenen Fachbereichs und perspektivisch weiterer Mittel.
Wir sind der schwarz-grünen Landesregierung sehr dankbar für die Förderrichtlinie „Sturmtief Emmelinde“, welche die durch den Tornado betroffenen Kommunen finanziell in erheblichem Maß unterstützt. Die Beseitigung der Schäden wird uns in diesem und mindestens im nächsten Jahr noch in vielen Bereichen beschäftigen.
Noch heute steigen mir oft die Tränen in die Augen, wenn ich auf dem Hellinghäuserweg unterwegs bin; die Birken am Straßenrand fehlen, in der Ferne nicht der Stadtwald, sondern der freie Blick auf die Rothe Erde. Jede schnelle Nachpflanzung ist gut; die Unterstützung auch aus der Bürgerschaft groß. Die Effekte der vielen großen Bäume werden allerdings noch Jahrzehnte fehlen. Umso wichtiger, dass der Naturschutz in unserer Stadt tatsächlich stattfindet. Doch hier fehlen Maßnahmen, die ein echtes Umdenken und entsprechendes umweltpolitisches Handeln bewirken könnten.
Wichtige Maßnahmen wie Konzepte für die Schaffung adäquater Lebensbedingungen für Insekten und Vögel sowie mehr Anpflanzungen heimischer standorttypischer Sträucher und Bäume und deren Schutz dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Wenn jedoch immer noch große Bäume aus „praktischen“ oder „ästhetischen“ Gründen gefällt, Waldflächen in Obstwiesen verwandelt werden, ist der viel beschworene Klimanotstand wohl noch lange nicht im Rat und in der Verwaltung angekommen.
Exemplarisch dafür stehen die nicht berücksichtigten Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge von Umweltschutz-, Land- und Forstbehörden auf höheren Ebenen, aber auch aus der Bürgerschaft in Bezug auf Bebauungspläne. Zuletzt zeigt auch der Umgang mit den Anmerkungen zum Flächennutzungsplan die geringe Wertschätzung des Umweltschutzes in der Verwaltung. Umweltthemen gilt es weiter zu stärken, denn Umweltschutz ist Klimaschutz! Nicht ohne Grund hat sich die Stadt die Klimaneutralität als Ziel gesetzt. Dies kann nur gelingen, wenn unverzüglich auf allen Ebenen entsprechend gehandelt wird. Die in der Investitionsplanung vorgesehenen Gewässer- und Hochwasserschutzmaßnahmen erscheinen uns unter den gegebenen Umständen nicht angemessen.
Nicht nachvollziehbar auch, wie die für das Jahr 2022, eigentlich viel zu geringe Zahl, städtischer PV-Anlagen nicht umgesetzt werden konnte. Hier gilt es, die nun für 2023 geplanten und aus 2022 übertragenen Mittel auch tatsächlich einzusetzen und an Geschwindigkeit deutlich zuzulegen. Zusätzlich ist die Wärmewende konkret für die städtischen Liegenschaften anzugehen.
Die vielen Teilnehmenden am Stadtradeln und die Nutzung des 9€-Tickets im letzten Jahr haben gezeigt, dass die Mobilitätswende schon in den Köpfen der Lippstädter Bürgerschaft angekommen ist. Jetzt gilt es diese auch durch die richtige, für alle inklusive, Infrastruktur zu begleiten.
Dazu zählen Fahrradstraßen, an den Bedarfen orientierte barrierefreie Mobilstationen, genauso wie gut abgestimmte Buslinien. Der aufgestellte Haushalt greift hier zu kurz. Die Zusammenarbeit mit den angrenzenden Kommunen und dem Kreis ist für sinnvolle Fördermittelakquise unabdingbar, was bisher leider nur in geringem Umfang gelingt.
Die generellen Herausforderungen und Aufgaben sind groß, umso wichtiger ist es die Förderprogramme von Regierungsbezirk, Landes- und Bundesebene zu kennen, zu nutzen und ggf. auch Projekte entsprechend anzupassen.
Nur durch die von uns lange geforderten und von vielen ebenso lange abgelehnten Maßnahmen in Sachen Energiestandard und Klimaanpassung ist das QSA und damit das Stadthaus überhaupt förderfähig geworden. Wenn exemplarisch die neue Klinik in Frankfurt-Hoechst als Passivhaus-Standard errichtet werden kann und dies nur bei 6%-höheren Gesamtinvestitionskosten, ist die jetzige Stadthausplanung alles andere als zukunftweisend.
Gleiches gilt für das Thema Klima-Resilienz im QSA: Kaum Grünflächen oder Bäume, dafür jede Menge Bodenversiegelung durch große gepflasterte Plätze und Parkflächen. Alles wie gehabt. Einzig mit der Wasserregulierung, Stichwort „Schwammstadt“, reagiert man auf den Klimanotstand. Aus diesen Gründen und aufgrund der jetzigen Haushaltslage und den hier aufgezeigten schwierigen Rahmenbedingungen und Aufgaben für Verwaltung und Politik bleiben wir bei unserem Nein zum Stadthaus.
Viele der von uns aufgeworfenen Fragen werden nur zögerlich und auf Nachfrage beantwortet. Viele beschlossene Projekte mussten schon in 2022 hinter dem Stadthaus anstehen und dies wird sich mit dem ersten Spatenstich noch verschärfen. Mit den bereits bekannten und den Risiken durch die steigenden Kosten, aktuell insbesondere getrieben durch die Zinsen, wird der Haushalt auch in den nächsten 50 Jahren sehr stark belastet werden.
Zu einem attraktiven Arbeitgeber „Stadt Lippstadt“ gehört auch eine ansprechende Arbeitsumgebung, aber nicht nur. Viel entscheidender als genau jetzt ein Stadthaus zu bauen sind die Personalstruktur, -Organisation und -Prozesse arbeitnehmergerecht und modern auszugestalten. Der in der Presse vorgestellte Bürgerservice XXL könnte ein entsprechender Ansatz sein. Umso befremdlicher, warum dieses Konzept nicht mit der Haushaltseinbringung vorgestellt wurde, um ausreichend diskutiert zu werden, sondern heute erst auf konkrete Nachfrage durch unsere Fraktion. Transparenz und politische Teilhabe sehen anders aus!
Gelebte Teilhabe innerhalb der Verwaltung bedeutet, auch Erkenntnisse aus dem Gleichstellungplan anzuerkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Der Mindeststandard zur Erreichung eines höheren Anteils an vollzeitbeschäftigten Frauen sowie Frauen in Führungspositionen sind andere Zeitmodelle, mehr Home-Office, Weiterbildungsmöglichkeiten auch in Teilzeit und eine wertschätzende Ansprache. Des Weiteren führen diese Maßnahmen zu einem besseren Betriebsklima und schaffen auch für männliche Mitarbeiter Flexibilität, sowie mehr Raum und Entfaltungsmöglichkeiten für alle Beschäftigten. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen, um auch dem generellen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Ich schließe mit meinen Worten aus dem letzten Jahr, denn sie sind noch genauso gültig: Zeitnahe Investitionen in energetische Sanierungen, erneuerbare Energien und eine bürgernahe digitale Verwaltung sind zwingend nötig, um die laufenden Kosten der nächsten Jahrzehnte zu beherrschen und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Gleichzeitig brauchen wir eine klimaresiliente und kulturreiche Stadt, damit ein Leben in Lippstadt lebenswert bleibt.
Wir können dem Haushalt 2023 nicht zustimmen!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für die Lippstädter Stadtrats-Fraktion
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Elisabeth Körner
Es gilt das gesprochene Wort.