Bessere Luft an Schulen durch nachhaltige Lüftungsanlagen

Antrag der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN an den Rat 21.06.2021

Beschlussvorlage

Die Stadt Lippstadt wird ab sofort bei Sanierungen, Erweiterungen und Neubauten von schulischen Gebäuden grundsätzliche kontrollierte Lüftung, im Sinne von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, einbauen. Dies kann durch zentrale oder dezentrale Anlagentechnik realisiert werden.

Die Verwaltung wird beauftragt:

  1. a) bei Sanierungen, Erweiterungen und Neubauten von schulischen Gebäuden grundsätzliche kontrollierte Lüftung, im Sinne von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, einbauen. Dies kann durch zentrale oder dezentrale Anlagentechnik realisiert werden.
  2. b) die Nachrüstung von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in allen Schulen zu
    prüfen, insbesondere sollen die technische Machbarkeit, die Investitions-, Betriebs- und Wartungskosten und die Fördermöglichkeiten untersucht werden. Besonderer Fokus soll auf schnelle Umsetzbarkeit gelegt werden.

Die Fördermöglichkeiten von Bund und Land sollen zeitgleich ermittelt werden.

Begründung

Erst die aktuelle Corona Pandemie hat uns anschaulich vor Augen geführt, wie fragwürdig die Innenraum-Hygiene an unseren Schulen ist.

Eine Person atmet in jeder Minute rund acht Liter Luft aus. In dieser ausgeatmeten Luft ist unter anderem Kohlendioxid (CO2) enthalten, ggf. auch Krankheitserreger. Schon lange vor der aktuellen Pandemie hat das Umweltbundesamt Empfehlungen zur Lufthygiene veröffentlicht: In Unterrichtsräumen soll die CO2-Konzentration nicht über 1.000 ppm liegen (ppm = „parts per million“, d.h. Teile pro Millionen Teile) [1]. Aufgrund der Verteilung von Aerosolen und der damit einhergehenden Ansteckungsgefahr im Klassenraum wird aktuell weiterhin die CO2-Konzentration als Grenzwert im Sinne der Pandemie gesehen.

Eine Studie zur Beurteilung von CO2-Konzentration in Klassenräumen kam 2014 nach Messung in 363 Klassenräumen in 111 Schulen in NRW zu dem Ergebnis, dass die CO2-Konzentration in annähernd 50% der Fälle während der Unterrichtsstunde bei geschlossenen Fenstern den Wert von 2 000 ppm überschritt [2]. Dieser Wert wird in der Fachliteratur als „hygienisch inakzeptabel“ definiert [1].

Zahlreiche Studien belegen, dass eine hohe CO2-Konzentration in Klassenräumen auch jenseits der aktuellen Diskussion zum Infektionsschutz nachteilige Wirkungen für Schülerinnen und Schüler hervorruft [3 .. 8]:

  • Einbußen an Komfort und Wohlbefinden
  • Verminderung der Leistungsfähigkeit, höhere Fehlerraten im Unterricht
  • Zunahme von Symptomen des Zentralen Nervensystems, wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Konzentrationsschwäche
  • mehr Erkrankungen und schlechtere physische Verfassung

Im Rahmen der aktuellen Pandemie wird durch Kipp- und Stoßlüften versucht, den Grenzwert von 1.000 ppm einzuhalten. Dies ist, bei entsprechendem Engagement des Lehrpersonals, durchaus realistisch.

Dennoch entspricht diese Art der Lüftung nicht den Ansprüchen zeitgemäßer Schulen:

  • Die entsprechende Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR A3.5, [9]) sieht für Klassenräume eine Mindesttemperatur von 19°C vor. Diese Anforderungen sind gerade in Übergangs- und Winterzeit nicht einzuhalten.
  • Insbesondere in Übergangs- und Winterzeit hohes Risiko durch Erkältungen
  • Lehrpersonal muss vor, während und nach der Unterrichtsstunde die ausreichende Belüftung sicherstellen
  • Offene Fenster stellen ein Unfallrisiko dar (Stoß am Fensterflügel, Sturz, …)
  • Ungleichmäßige Belüftung des Klassenraumes
  • Belästigung / Ablenkung durch Außenlärm
  • Witterungseinflüsse (Regen, Wind, …)
  • Hoher Wärmeverlust verursacht hohe Betriebskosten und führt aktuelle, energetischen Sanierungsmaßnahmen ad absurdum
  • Dauerhaft geöffnete Fenster einer beheizten Schule widersprechen dem Beschluss der Stadt Lippstadt zum Klimanotstand.

Um eine gute Raumluftqualität für Schülerinnen und Schüler nachhaltig zu realisieren, kommen folglich nur technische Maßnahmen in Betracht. Wie [2] zeigt, erfolgt bei Nutzung einer Lüftungsanlage nur ein geringer Anstieg der CO2-Konzentration.

Zentrale bzw. dezentrale kontrollierte Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung stellen somit ein wesentliches Element für unsere städtischen Schulen dar, um die hygienische Belüftung der Klassenräume, bei zugleich hoher Behaglichkeit, sicherzustellen. Jede Sanierung, Erweiterung oder Neubau von Schulen stellt eine langfristige Investition in die zukünftigen Generationen dar. Daher wird die Stadt Lippstadt aufgefordert, ab sofort bei jeder dieser vorgenannten Maßnahmen den Einbau von zentralen bzw. dezentralen kontrollierten Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zu realisieren.

Diese sorgen nicht nur für einen regelmäßigen Luftaustausch, sie senken auch Heizkosten durch Wärmerückgewinnung. Der Einbau von neuen Lüftungsanlagen in Einrichtungen für Schulkinder bis 12 Jahre wird derzeit mit 80% [10], übrige neue Anlagen im Gebäudebestand in der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BAFA BEG) mit 20% bezuschusst [11].

Wir weisen darauf hin, dass Lüftungsanlagen in Schulen auch ohne Corona absolut sinnvoll sind. Sie stellen eine essenzielle Investition in die Zukunft unserer Kinder dar und sind vor allem ein längerfristiger Gesundheitsschutz sowohl für Schüler und Lehrer.

 

Quellen:

[1] Umweltbundesamt: „Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden“ (2008): https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3689.pdf

[2] H.-D. Neumann, M. Buxtrup: „Beurteilung der CO2-Konzentration in Klassenräumen“ (2014): https://www.unfallkasse-nrw.de/fileadmin/server/download/Praeventionsmaterialien/CO2_in_Schulen.pdf

[3] Kajtár, L.; Herczeg, L.; Láng, E.; Hrustinszky, T.; Banhidi, L.: Influence of carbon-dioxide pollutant on human well-being and work intensity. In: Proceedings of Healthy Buildings 2006, 4.-8. Juni 2008, Lissabon, S. 85-90.

[4] Myhrvold, A. N.; Olsen, E.; Lauridsen, O.: Indoor environment in schools – pupils health and performance in regard to CO2 concentrations. In: Indoor air ’96: Proceedings of the 7th international conference on indoor air quality and climate. Vol. 4, S. 369-374: https://www.aretas.ca/sites/default/files/imce_images
/Indoor%20Environment%20in%20Schools%20%E2%80%93%20Pupils%20Health%20%26%20
Performance%20in%20Regard%20to%20CO2%20Concentrations.pd
f

[5] Tiesler, G.; Schönwälder, H. G.; Ströver, F.: Gesundheitsfördernde Einflüsse auf das Leistungsvermögen im schulischen Unterricht. Hrsg.: ISF – Institut für interdisziplinäre Schulforschung, Universität Bremen. Forschungsvorhaben im Auftrag des Gemeindeunfallversicherungsverbandes Hannover und der Unfallkasse Hessen (2008): https://www.isf-bremen.de/publikationen/forschung/

[6] Wargocki, P.; Wyon, D. P.: Research report on effects of HVAC on student performance. ASHRAE J. 48 (2006), S. 23-26: https://www.researchgate.net/publication/283837937_Effects_of_HVAC_on_student_performance

[7] Shendell, D. G.; Prill, R.; Fisk, W. J.; Apte, M. G.; Blake, D.; Faulkner, D.: Associations between classroom CO2 concentrations and student attendance in Washington and Idaho.  Indoor Air 14 (2004), S. 333-341: https://research.libraries.wsu.edu/xmlui/bitstream/handle/2376/5954/CO2%20Concentrations%20and%20Attendance-12-032.pdf?sequence=1&isAllowed=y

[8] Bebersdorf, J.: Untersuchungen zur Raumluftqualität an Erfurter Schulen. Dissertation, Universität Jena 2010.

[9] Technische Regeln für Arbeitsstätten: Raumtemperatur, zuletzt geändert 2021: https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/ASR/pdf/ASR-A3-5.pdf?__blob=publicationFile

[10] BAFA „Bundesförderung von raumlufttechnischen Anlagen“, update 12. Mai 2021: https://www.bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Raumlufttechnische_Anlagen/raumlufttechnische_anlagen_node.html

[11] BAFA „Bundesförderung für effiziente Gebäude“, 2021: https://www.bafa.de/DE/Energie/Effiziente_Gebaeude/Sanierung_Nichtwohngebaeude/Anlagentechnik/anlagentechnik_node.html