Die Grünen und der Start ins neue Schuljahr

Grüne: In der Schule auch unkonventionelle Wege gehen

Die Grünen begrüßen, dass im neuen Schuljahr wieder regulärer Unterricht stattfinden soll, sind sich aber sicher, dass das neue kein normales Schuljahr werden wird.

Im Moment planen die Schulen den Wiedereinstieg in den vollen Präsenzunterricht. Zugleich sollen Lehrkräfte Hybridmodelle und Wechselunterricht vorbereiten für den Fall steigender Infektionszahlen. „Nun spricht tatsächlich viel für die Vollbeschulung. Kinder brauchen Gleichaltrige um sich. Homeschooling ist für manche Eltern eine Qual und arbeitstechnisch ein Albtraum. Und nie haben sich soziale Unterschiede so deutlich auf schulische Leistung ausgewirkt wie in den Corona-Monaten. Lehrerinnen erzählen, dass ihnen ein Teil der Schülerinnen geradezu weggebrochen sei, weil in vielen Haushalten keine digitalen Endgeräte stehen oder es keine Rückzugsräume gibt“, erklärt Nabiha Ghanem, die OV-Sprecherin der Grünen, die Wichtigkeit des Präsenzunterrichts. „Und bei denen, die zuhause wenig oder kein Deutsch sprechen, nahm das Sprachvermögen von Videokonferenz zu Videokonferenz ab.  Die Rückkehr zum Präsenzunterricht könnte so manche Ungleichheit abfedern“, hofft ihr Parteifreund Willi Rönnau, Pädagoge und Therapeut. Nach allem, was Kanzleramtschef Helge Braun und Kultusministerin Gebauer mitteilen, bedeutet „weitestgehend normaler Schulbetrieb“ Maske auf, im Musikunterricht nicht singen, Desinfektionsmittel auf dem Klo und auf dem Flur rechts gehen. In den meisten Schulen ist aber einfach zu wenig Platz für den vorgeschriebenen Mindestabstand. Und selbst wenn, man teilt sich weiterhin die Toiletten und steckt auf dem Schulhof die Köpfe zusammen.

Als Israel auch beengte Schulen wieder öffnete, entwickelten sich dort Hotspots. Mehr als 40% der neuen Corona-Fälle waren Kinder, die sich in der Schule angesteckt hatten. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Tuberkulose durch die amerikanischen Großstädte fegte, schlugen Ärzte Open-Air-Unterricht vor. Im ganzen Land gründeten sich Open-Air-Schulen, und kaum ein Kind zeigte Krankheitssymptome. „ Natürlich rufen wir nicht dazu auf, die Wände herauszureißen, wie damals oft geschehen, aber wünschen uns, unkonventionelle Wege auszuprobieren.“ sind sich die Fachpolitiker*innen der Grünen einig.

In Deutschland gibt es aktuell  die Diskussion über die Frage, welche Rolle Kinder bei der Ausbreitung des Coronavirus spielen.  Dabei trägt die neueste Studie aus Südkorea nicht wirklich zur Beruhigung bei, der zufolge  Kinder bis zu 10 Jahren nur wenige andere Menschen anstecken, Jugendliche dagegen eine genauso große Rolle im Infektionsgeschehen wie Erwachsene spielen. Die Wissenschaftler streiten sich über die Fragen „Wie ansteckend sind Kinder und Jugendliche? Ist eine Maskenpflicht sinnvoll? Was passiert in den Schulpausen?“

Heinz Gesterkamp aus dem Jugendhilfeausschuss und von Beruf Lehrer,  hatte in diesem Sommer während seines Urlaubs in Nordfriesland Gelegenheit, mit Mitgliedern der dänischen Minderheit und des SSW, des Südschleswigschen Wählerverbands, zu sprechen, und lernte den dänischen Weg kennen.

„Auch in Dänemark gibt es zur Frage um die Ansteckungsgefahr durch Kinder keine eindeutige Linie. Die Öffnung der Schulen jedenfalls führte nicht zu einem Anstieg der Corona-Fallzahlen.

Als sich dann herausstellte, dass die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft viel geringer ist als in geschlossenen Räumen, wurde der Grundschulunterricht in „grüne Klassenzimmer“, nämlich unter Bäumen an der Schule, auf Spielplätzen, in Parks und in das Fußballstadion des Erstligisten FC Kopenhagen verlegt“, berichtet H. Gesterkamp aus dem Norden. „Also Fenster und Türen auf, möglichst viel frische Luft, Bewegung zwischendurch und am besten gesundes Schulessen mit viel Obst wie bei unserem nördlichen Nachbarn“, ergänzt Willi Rönnau und erinnert an den Bewegungskindergarten St. Josef an der Bökenförder Straße und den Waldkindergarten der INI.

Und wenn es dem Land und den Kommunen ernst ist mit dem Präsenzunterricht, müssten sie, so die Grünen, zusätzliche Räume in der Nähe der Schulen, leerstehende Büros, Lager- oder Turnhallen zur Verfügung stellen. Und wenn das nicht so einfach zu organisieren ist, kann man darüber nachdenken, statt des Raums auch die Zeit zu dehnen, indem man Nachmittagsunterricht oder eine noch intensivere Sommerschule in den Ferien anbietet, wie sie jetzt gerade erfolgreich von der Arnold-Hueck- Stiftung und Pari Sozial in Lippstadt möglich gemacht worden ist. Gleichzeitig ist auch mit viel mehr digitalem Unterricht zu rechnen. Aber warum nicht dann für den Englisch- oder Französischunterricht eine Klasse in Großbritannien oder Frankreich suchen, die Deutsch lernt, um sich in einigen Monaten mit ihnen zu bilingualem Sprachunterricht zusammenzuschalten?

Eine gute Schule in der Corona-Krise ist teuer und braucht auch noch zusätzliches Personal und nicht zuletzt den Mut, unkonventionelle Wege zu gehen. Nabiha Ghanem fordert, dafür entsprechende Mittel zur Verfügungzu stellen, „denn es geht um das Wohl Heranwachsender und damit um unsere Zukunft. Kinder und Jugendliche verdienen ein Leben, das ihren Bedürfnissen entspricht und ihnen Chancen auf eine angemessene Bildung und eine psychisch gesunde Entwicklung eröffnet. In Zeiten der Pandemie, die noch lange nicht zu Ende ist, bedarf es einer Schule, die dem Wesen der Kinder und dem Infektionsschutz gleichermaßen gerecht wird.“