Die Corona-Krise bedeutet für sehr viele Bürger*innen neben den notwendigen Einschränkungen in ihrem Alltag auch eine enorme finanzielle Härte. Um diese etwas abzufedern, verabschiedete der Bundestag Mitte Mai ein zweites Sozialpaket.
Die Grünen sind enttäuscht, dass die Menschen mit geringem Einkommen darin lediglich am Rande auftauchen.
„Wir begrüßen die Lockerungen zum Kurzarbeitergeld, dass bei Anträgen für Hartz IV auf die Vermögensprüfung verzichtet wird und auch nicht überprüft wird, ob die Wohnungsgröße angemessen ist. Und wir freuen uns, dass Familien mit geringem Einkommen leichter den Kinderzuschlag von monatlich bis zu 185 € pro Kind erhalten und dass Rentner*innen ohne Anrechnung auf ihre Rente mehr hinzuverdienen dürfen und dass Arbeitslose bis Ende des Jahres drei Monate länger ALG I erhalten, damit sie nicht so schnell in Hartz IV abrutschen,“ betonen Heinz Gesterkamp und Willi Rönnau, die die Grünen im Ausschuss für Jugend, Familie und Soziales vertreten.
Das tut vielen Menschen sehr gut. Aber leider sollen Kinder und Jugendliche, die auf existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, lediglich wieder ein kostenloses Mittagessen erhalten.
Die Zahl der Kinder unter 18 Jahren in Bedarfsgemeinschaften ist im vergangenen Jahrzehnt leider nicht kontinuierlich zurückgegangen. Es zeigt sich sogar ein leicht aufwärtsgerichteter Trend.
1752 Kinder aus Lippstadt bekommen Grundsicherung – und die ist viel zu niedrig!
„Hartz IV muss dringend angehoben werden, wenn der geltende Satz für ein fünfjähriges Kind aktuell nicht einmal 3 Euro und für die bis zu 14 Jährigen gerade einmal 4 Euro für die gesamte Verpflegung mit Getränken vorsieht“, fordert H. Gesterkamp.
Viele, die sowieso beim Einkauf auf jeden Cent achten mussten, waren in der Corona-Krise gezwungen, tiefer in die Tasche zu greifen, weil die Lebenshaltungskosten seitdem deutlich gestiegen sind, vor allem für frische Lebensmittel wie Gemüse. Die Forderungen nach Erhöhung von Sozialleistungen im Vorfeld der Abstimmung über das zweite Sozialpaket im Bundestag blieben ungehört. Sogar eine nur zeitweilige Erhöhung der Grundsicherung lehnten die Regierungsparteien ab.
Nicht einmal in dieser Krisensituation konnte sich die Bundesregierung dazu durchringen, auch Kindern im Hartz IV-Bezug den sogenannten Kinderzuschlag in Höhe von 185 € zu gewähren, den Familien mit geringem Einkommen nun zu Recht vereinfacht beantragen können.
„Und Kinder im Hartz-IV-Bezug waren von geschlossenen Kitas, Schulen, Spiel- und Sportplätzen in besonderer Weise betroffen gewesen.
Mit der Schließung der Schulen schlossen auch viele Freizeiteinrichtungen, und damit fehlten auch wichtige Rückzugsräume sowie die Mitarbeiter*innen, die sonst immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Kinder haben“, fährt Burkhard Kalle, der Kandidat der Grünen im Lippstädter Südwesten, fort.
Da auch im Zuge der Corona-Maßnahmen viele Tafeln ihre Arbeit einschränken oder sogar einstellen mussten, besuchten die Grünen in diesen Tagen die Ausgabestelle an der Klosterstraße.
„In Lippstadt arbeitete die Tafel ununterbrochen weiter, worüber die Kunden*innen hier außerordentlich froh sind, denn sie sind auf diese Versorgung angewiesen“ so Leiter Willi Pieper und Georg Karbowski von der Caritas für den Kreis Soest.
„Im Zuge der Corona-Maßnahmen mussten auch viele Tafeln ihre Arbeit einschränken oder sogar einstellen. Weil Restaurants geschlossen hatten und Supermärkte fast alle Waren verkauften und deshalb keine Lebensmittel mehr spendeten, blieben anderswo Lieferungen aus und es gab weniger zu verteilen“, erfuhren die Grünen. „In Lippstadt war das nicht so, denn die Supermärkte und Discounter waren auch in dieser besonderen Zeit verlässliche Partner.
Und die Hueck-Stiftung unter Leitung von Wolfgang Rossbach war sofort mit einer großzügigen finanziellen Hilfe zur Stelle“ zeigte sich Willi Pieper erleichtert.
„Viele Tafeln werden personell von Rentner*innen getragen, die nun zur Risikogruppe zählten und aus Vorsicht den Kontakt zu anderen Menschen meiden, weshalb wir Personal aus anderen sozialen und pädagogischen Diensten der Caritas einsetzen konnten“, so Georg Karbowski.
Überrascht haben die beiden die zahlreichen Anfragen wegen finanzieller Einzelfallhilfe von Erwerbstätigen, die in Kurzarbeit sind.
Hinzu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit, in Folge von einer Corona-Erkrankung in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, für Hartz IV- Empfänger um 84,1% erhöht ist. Im Zeitraum vom 01.01.20 bis
04.06.20 kamen über zwei Drittel aller ins Krankenhaus eingelieferten Covid 19-Patienten aus einkommensschwachen Verhältnissen.
Das Institut für Medizinische Soziologie des Uniklinikums Düsseldorf hat gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg die Daten von knapp 1,3 Millionen Versicherten darauf hin untersucht, ob Menschen in Arbeitslosigkeit (ALG I und ALG II) häufiger mit einer Corona-Infektion in einem Krankenhaus behandelt werden mussten als erwerbstätige Versicherte.
„Sollten sich die Ergebnisse durch eine weiterführende Forschung bestätigen, wäre dies ein weiterer Beleg für ausgeprägte soziale Unterschiede in der Bundesrepublik, und das nicht nur bei Erkrankungen. Schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, wenig Platz zum Wohnen. All das erhöht das Infektionsrisiko“, so Burkhard Kalle. Um sozial benachteiligte Menschen gezielt vor dem erhöhten Risiko zu schützen, fordert er ein umfassendes Konzept, das neben dem Gesundheitssystem auch die Sozial- und Bildungspolitik miteinschließt.