Haushaltsrede 2019

Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ursula Jasperneite-Bröckelmann

Für Nachhaltigkeit sorgen

Es gilt das gesprochene Wort!

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Sommer,
sehr geehrte Frau Erste Beigeordnete und Stadtkämmerin Rodeheger,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Entwurf der Haushaltssatzung 2019 schließt erfreulicherweise, wie bereits im Vorjahr, mit einem Überschuss ab, sogar mit einem deutlich höheren als bei der Haushaltseinbringung prognostiziert. Wir profitieren gerade von verschiedenen Einmaleffekten und von positiven wirtschaftlichen Entwicklungen, aber, und hier liegt das Risiko, angesichts aller anstehenden Investitionen, Aufgaben und Projekte, wie z.B. der Weiterentwicklung der Lippstädter Schulen, des Ausbaus der Kinderbetreuung, der Instandsetzung und Sanierung von Gebäuden, u. a. der Großbaustelle Stadttheater, der Straßen, Brücken, Sporthallen und Spielplätze und vor allem des geplanten Stadthausneubaus, ist die Einnahmeentwicklung kritisch im Blick zu behalten.

Investitionen in Bildung und Betreuung haben für die Grünen erste Priorität.

Weitere massive Investitionen in den Kita-Bereich sind daher erforderlich, 300 bis 350 zusätzliche Plätze müssen in den nächsten Jahren geschaffen werden, eine erhebliche finanzielle und logistische Herausforderung. Aber Bildungschancen beginnen in den Kitas. Schon hier müssen wir dafür sorgen, dass den Kindern Bildung vermittelt und Chancengleichheit hergestellt wird, ein ausreichendes Angebot in unserer Stadt, auch für Kinder unter 3 Jahren, ist deshalb unumgänglich.

Zudem halten wir in den städtischen Einrichtungen, so unser Antrag für den Stellenplan 2019, 4 zusätzliche Stellen für Erzieherinnen für erforderlich, um der chronischen Unterdeckung der Mindestpersonalstärke entgegen zu wirken.

Die Beiträge für Kindergarten und schulische Ganztagsbetreuung wollen wir in 2019 nicht, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, anheben, da wir Kindergarten und Ganztagsbetreuung als öffentliche Aufgabe ansehen wie auch der allgemeine Trend eindeutig dahin geht, die Beiträge abzuschaffen. Hierfür ist allerdings eine Kompensation aus Landesmitteln notwendig.

Positiv ist der massive Investitionskurs an Schulen für Renovierungen, Sanierungen, Neubauten und die Digitalisierung. Da würde es gut passen, wenn das Geld des Digitalpaktes vom Bund in 2019 vor Ort ankommen würde.

Bei all den umfangreichen Investitionssummen sollten allerdings geringere Investitionsausgaben wie Tischtennisplatten auf dem Schulhof der Gesamtschule nicht außer Acht gelassen werden. Neben den großen Dingen dürfen solche Details nicht unberücksichtigt bleiben, denn vielseitig nutzbare, kreativitätsfördernde Möglichkeiten sind von wachsender Bedeutung für den Schulalltag, da die Schule als Lebens- und Erfahrungsraum zunehmend den Alltag unserer Kinder bestimmt.

Wir wollen das Projekt Schülerhaushalt, bei dem Schülerinnen und Schüler über ein Schulbudget mitbestimmen können, wieder aufleben lassen.

Die Stadt soll jährlich einen eigenen Haushalt für Schüler*innen weiterführender Schulen zur Verfügung stellen, beginnend mit 10.000,– Euro im Jahr 2019.

Mit dem Projekt des Schülerhaushalts verfolgen wir das Ziel, Kindern und Jugendlichen mehr Möglichkeiten der Gestaltung und Mitbestimmung in ihrem Schulumfeld zu geben und dabei demokratische Prozesse erlebbar zu machen, indem die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten, über die Verwendung des zuvor festgelegten Budgets selbst zu entscheiden.  Alle Schülerinnen und Schüler sind gefragt, Vorschläge zur Verwendung dieses Budgets einzureichen.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

insgesamt sind die veranschlagten Investitionssummen erneut ganz erheblich angestiegen. Dies ist zum einen der Ausstattung und den baulichen Projekten für die Feuerwehr geschuldet, aber auch in anderen Bereichen hat sich ein erheblicher zusätzlicher Investitionsbedarf ergeben, wie z. B. bei der Kindertagesbetreuung. In den Folgejahren wird sich dieser möglicherweise weiterhin steigern, da sich Handlungsbedarf beim Stadtmuseum und in Bad Waldliesborn bereits abzeichnet.

Die Zukunftsentwicklung des Kurortes ist eine erhebliche, auch finanzielle Herausforderung. Besonders zu benennen ist dabei das Thermalsolebad als zentraler Impulsgeber für den Ort. Dieses ist allerdings ein Sanierungsfall, über dessen Zukunftsentwicklung zügig Transparenz geschaffen werden muss.

Die Neupositionierung und organisatorische Neuaufstellung des Themas Tourismus, bei dem die touristischen Aufgaben des Kurortes Bad Waldliesborn und der Stadt Lippstadt bei der Kultur und Werbung Lippstadt (KWL) zusammengeführt werden sollen, sehen wir als Chance. Möglich sind Synergieeffekte sowohl für die Stadt als auch für den Kurort. Für dringend erforderlich halten wir auch, dass gleichzeitig die finanzielle und personelle Ausstattung für den Bereich Tourismus aufgestockt wird mit einer Intensivierung der Tourismuswerbung für das gesamte Stadtgebiet.

 

Das Interesse an dauerhaft bezahlbaren Mietwohnungen muss im Fokus stehen.

Bezahlbarer Wohnraum ist eines der wichtigsten Themen für die Bürgerinnen und Bürger. Das kann allein der Wohnungsmarkt nicht regeln, sondern dafür sind erhebliche Anstrengungen von Seiten der Stadt, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft und der Politik erforderlich.

Wir müssen den Bau von gefördertem Wohnraum wieder ankurbeln und mit verbindlichen Leitlinien und einer Quote die Bemühungen weiter verstärken. Über das bisherige Maß hinaus muss die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWL zusammen mit der Stadt den Bau von gefördertem Wohnraum voran bringen. Wo, wenn nicht in neuen Baugebieten, kann ein zusätzlicher Anteil von geförderten Mietwohnungen gebaut werden?

In diesem Zusammenhang ist auf das Projekt „Street Care“ hinzuweisen.

Wir wollen, dass die Stadt dieses Projekt, das eine medizinische Hilfe für Wohnungslose beinhaltet, mit ca. 25.000,– € unterstützt, da ansonsten eine wichtige Hilfe für Obdachlose nicht fortgeführt werden kann.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

die ehemaligen Betriebsgebäude der Westfälischen Metallindustrie Aktiengesellschaft in der Hospitalstraße möchten wir als erhaltenswerte Bausubstanz angemessen bei den weiteren Planungen der Quartiersentwicklung Südliche Altstadt berücksichtigt wissen.

Aufgrund der geschichtlichen Bedeutung des Werkes für Lippstadt und der vielen kultur- und sozialwissenschaftlich noch nicht erschlossenen Aspekte dieses Ortes der Lippstädter Industrialisierung ist die Umnutzung eines Gebäudeteiles für ein Museumsdepot eine gute, nachhaltige Entscheidung gewesen. Hieran gilt es nun weiter anzuknüpfen, denn gerade der Wechsel bzw. das Nebeneinander von Gegenwart und Geschichte macht den besonderen Charakter vieler Orte aus und setzt qualitative Maßstäbe. Dies zeigt auch beispielhaft der städtebauliche Wettbewerb für das ehemalige Hella- Gelände an der Steinstraße. Der Entwurf, der auch alte Bausubstanz einbezieht, wurde der Siegerentwurf.

 

Klimafreundliche Verkehrsentwicklungsplanung

Derzeit wird ein Konzept für eine „Klimafreundliche Mobilität“ für das gesamte Stadtgebiet erarbeitet, wobei die Förderung des innerstädtischen Radverkehrs ein besonders wichtiger Baustein ist.

Noch gibt es für den Radverkehr viele Schwachstellen im Netz, an deren Beseitigung kontinuierlich, auch mit Hilfe der neuen „Mängel-Melde-App“ gearbeitet werden muss. Für den diesjährigen Haushalt beantragen wir deshalb

  • 100.000,– € statt 15.000,– € für die Verbesserung von Radverkehrssituationen und für die Installation von sichereren Radabstellanlagen sowie
  • 10.000,– € für Bürgerinformationsveranstaltungen zur Mobilität und für Fahrradaktionstage bereitzustellen.

 

Klimawandel/ Artenvielfalt/Umwelt

Bäume und Grün sind das stärkste Instrument in der Stadtklimatologie, zudem Schadstoff- und Lärmfilter, Freizeit- und Erholungsraum für Menschen, Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Spätestens nach diesem Sommer dürfte jedem klar geworden sein, wie wichtig es ist zu handeln. Es muss mehr für ein lebendiges Grün und den Erhalt und die Vielfalt der Insekten getan werden, wir brauchen mehr Wildblumen anstatt der Giftspritze. Wir wollen ein insektenfreundliches Management, mit Blumenwiesen und Wildstaudenfluren, auch auf kleinen und mittleren Flächen

Hierfür beantragen wir

  • 4 zusätzliche Stellen für eine ökologische Grünflächenpflege
  • 20.000,– € für die ökologische Verbesserung der innerstädtischen Grünsituation.

 

Und wir wollen die

  • Herrichtung der Grünanlagen entlang der Westlichen Umflut vorziehen auf 2020.

Zur Erinnerung, die Genehmigung des Bebauungsplanes Nr. 130 Südertor ist mit der Verpflichtung gekoppelt, als Ausgleichsmaßnahme die Grünräume entlang der Südlichen Umflut zu entwickeln.

 

Straßenbaubeiträge

Die Debatte über die Sinnhaftigkeit bzw. Ungerechtigkeit der derzeitigen Beitragsregelung ist in vollem Gange. Wir denken, dass die aktuelle Regelung zu unzumutbaren und für Bürger*innen nicht mehr nachvollziehbaren Härten und Ungerechtigkeiten führen kann:

  • Da gibt es Baukostensteigerungen, die zu unerwarteten und erheblichen Erhöhungen von Anliegerbeiträgen führen.
  • Wir sollten uns auch einig darin sein, dass es nicht richtig ist, wenn die Stadt Straßen über Jahre hinweg nicht ausbaut und verfallen lässt und die nicht erbrachten Sanierungskosten dann zu größeren Teilen wieder auf die Anliegerinnen und Anlieger abgewälzt werden.

Wir wollen sozialverträglichere und gerechtere Regelungen:

  • Es gibt die Notwendigkeit Transparenz herzustellen über die Kosten der Einzelpositionen, die Fälligkeit und den Planungsstand.
  • Es gibt die Notwendigkeit, bei erheblichen Kostensteigerungen die Maßnahme zu verschieben oder die Anlieger*innen nicht mit den Kostensteigerungen zu belasten.

Straßenbau und -erneuerung sind ein zentraler Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Für diese Dinge sind zuallererst der Staat und die Allgemeinheit zuständig. Wir wollen deshalb die Senkung der Beiträge auf die Mindestwerte der Mustersatzung und die Kompensation im eigenen städtischen Haushalt dadurch, dass die zukünftigen Maßnahmen gestreckt werden. Es muss dann intensiver geprüft werden, was notwendig und finanzierbar ist. Denn schon heute steht wohl fest, dass die Landesregierung die Kommunen bei der finanziellen Lösung des Themas offensichtlich alleine lässt.

Bis die Landesregierung zu einer Modernisierung des § 8 KAG NRW kommt, wollen wir nur die Straßen ausbauen, die unbedingt nötig sind.

Unsere Vorstellung ist, bei den verschiedenen Straßenarten nicht mehr zwischen Fahrbahn, Gehweg, Beleuchtung oder Grün zu unterscheiden, was vor dem Hintergrund eines klimafreundlichen Verkehrsentwicklungskonzeptes auch nicht mehr zeitgemäß ist. Ebenso dürften Grünbeete und Bäume in Zeiten des Klimawandels nicht mehr kosten als Pflastersteine. Die z. Z. noch rechtlichen Bedenken halten wir für prüfungsbedürftig.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!