Die Lippstädter Grünen mahnen endlich eine ernsthafte Debatte über die Zukunft unseres Rentensystems an, denn beim Thema Rente machen sich inzwischen viele Menschen Sorgen.
Die Hälfte der Deutschen fürchtet, einer repräsentativen „Forsa-Umfrage“ zufolge, finanzielle Probleme im Alter, und 60 % der Befragten erwarten, dass es der heranwachsenden Generation schlechter gehen wird. „Die Altersarmut wird schon bald deutlich zunehmen“, befürchten OV-Sprecher Holger Künemund und Heinz Gesterkamp, sozialpolitischer Sprecher der Öko-Partei. „Das liegt nicht nur langfristig am sinkenden Rentenniveau, sondern auch am Wandel der Arbeitswelt. Deutschland hat jetzt schon Millionen Geringverdiener/innen, Arbeitnehmer/innen mit brüchigen Erwerbsbiographien, Minijobber, Hartz IV-Bezieher, Selbstständige mit bescheidenem Einkommen, die alle eher geringe oder gar keine Rentenansprüche erwerben“, erklären die beiden ihre Sorge. „Selbst jemand, der z. B. 11,50 € pro Stunde verdient und damit 3,00 € über dem Mindestlohn von 8,50 € liegt, wird als Rentner/in zum Sozialamt gehen müssen“, prognostiziert Heinz Gesterkamp.
„Und Roboter werden schon bald z.B. LokomotivführerInnen oder noch mehr FabrikarbeiterInnen ablösen“, erwarten sie. Denn bis zum Jahr 2025 werden 1,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verschwinden und durch eine in etwa gleich große Zahl von anspruchsvollen Computerbedienjobs ersetzt, hat das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit prognostiziert.
Als Konsequenz dieses digitalen Wandels fordern jetzt auch Unternehmenschefs wie Joe Kaeser, der Vorstandsvorsitzende von Siemens, in der Breite eine bessere soziale Absicherung. Es würden seiner Meinung nach in der Arbeitswelt leider „einige auf der Strecke bleiben, weil sie mit der Geschwindigkeit auf der Welt einfach nicht mehr mitkommen“, warnte er unlängst auf einem Wirtschaftsgipfel in München. Also müsse die Gesellschaft dafür sorgen, dass diese Menschen versorgt sind. Deshalb werde „eine Art Grundeinkommen völlig unvermeidlich sein“. „Die Schere zwischen menschlicher Arbeit und Roboterarbeit geht immer weiter auseinander, die erste hat immer weniger Anteil an der Produktivität“, betont Yvonne Hofstetter, die Gründerin eines Dienstleisters für Künstliche Intelligenz (KI), und fragt skeptisch, ob man zukünftig nur die Lohnarbeit besteuern darf, wie es bisher geschieht, und mahnt deshalb eine System-Debatte an.
Für Holger Künemund bleiben trotz seiner Sympathie für ein ausreichendes Grundeinkommen natürlich auch Fragen: Wie hoch soll dieses Grundeinkommen sein und wie soll es finanziert werden? „Wir brauchen darüber endlich eine breite realitätsbezogene gesellschaftliche Debatte, insbesondere auch mit Perspektive für die Manschen, die geringere Bildungs- und Berufsabschlüsse haben?“
Das Schweizer Rentensystem
Einen Besuch bei seiner Tochter in Zürich nutzte Heinz Gesterkamp, um sich über das schweizer Rentensystem zu informieren.
Das dortige Modell beruht auf drei Säulen. In der ersten Säule geht es um die Existenzsicherung. In der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) sind alle EinwohnerInnen der Schweiz pflichtversichert, auch Beamte, Studenten und Hausfrauen. Derzeit beträgt der Beitragssatz 10.15% für die AHV, Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Beiträge. Anders als in Deutschland gibt es beim Einzahlen keine Obergrenze. Ausgezahlt aber werden aus der AHV umgerechnet höchstens 2.140 CHF im Monat, der Mindestbetrag ist 1070 CHF. Bei den Schweizer Lebenshaltungskosten reicht Letzteres für eine Grundversorgung. „Ein fast sozialistisches Element“, sagt H. Gesterkamp. Die zweite Säule, in der Einkommen zwischen 2o.ooo und 77.ooo € obligatorisch versichert werden, wird von unabhängigen Stiftungen und Versicherern betrieben. Wie bei der AHV ist der Arbeitgeber verpflichtet, 50 % beizutragen. Zusammen mit dieser zweiten Säule kommen die Schweizer/innen, die über ein durchschnittliches Einkommen verfügen, als RentnerInnen auf etwa 60% ihres früheren Gehalts. Wer in die zweite Säule einzahlt, kann jährlich etwa 6.200 € steuerlich geltend machen. Bei der 3. Säule geht es um private Vorsorge mit deutlichen steuerlichen Vorteilen.
Natürlich wurde das Schweizer Modell zu einer Zeit eingeführt, als die demographische Verteilung noch anders aussah. „Wenn man es bei uns kopieren möchte, dürfte man nicht denselben Erfolg haben, aber es hat den großen Vorteil, dass niemand aussteigen darf.“ Wichtig für die beiden Grünen ist, endlich die Debatte über die zukünftige Altersvorsorge zu eröffnen, damit nicht noch mehr Rentner/innen gezwungen sind, im Alter einen Job zu suchen, weil die eigene Rente vielleicht nur drei Wochen im Monat reicht. In Deutschland sind bis jetzt zwar offiziell nur 3 -5 % der alten Menschen offiziell in der Grundsicherung. Im Jahre 2016 waren aber bereits 11 % derjenigen, die zwischen 65 und 74 alt sind, noch erwerbstätig, dem Statistischen Bundesamt zufolge. Das sind doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren.
In der Schweiz findet am 24. September, dem Tag unserer Bundestagswahl, eine Volksabstimmung über die Frage der Sicherung der bisherigen Altersvorsorge statt…
… und bei uns ist das fast kein Thema?