Meckern über eine soziale Wohltat?

Die Lippstädter Grünen begrüßen das weitere Engagement der Caritas für die Tafel, kritisieren aber zugleich die wachsende Notwendigkeit dieser Einrichtung in einem reichen Land wie die Bundesrepublik und fordern die Rückkehr zu einem stärkeren Engagement der öffentlichen Hand bei der Bekämpfung der Armut.

Willi Rönnau und Heinz Gesterkamp kritisieren als sozialpolitische Sprecher:
„Die Bundesrepublik ist laut Grundgesetz ein Sozialstaat und hat eine wertvolle Tradition der sozialen Sicherung, die viele Staaten so nicht haben. Aber die Armut hat in den letzten Jahren in einem erschreckenden Ausmaß zugenommen“.

Die Tafeln selbst sind natürlich nicht das Problem, sondern die aktuelle Sozialpolitik der Bundesregierung. Wenn der Staat nämlich in großem Maße Tafeln begrüßt, entzieht er sich ihrer Meinung nach seiner Verantwortung, für das Existenzminimum der Bürger zu sorgen, wie es das Sozialstaatsprinzip im Grundgesetz ausdrücklich verlangt. Beide erinnern an den Spruch der Karlsruher Richter, der Staat habe dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben auch denen zur Verfügung stehen müssen, die über keine oder zu geringe Einkünfte verfügen.

Da die Politik nach Ansicht der Grünen das aber nicht mehr in ausreichendem Maße tut, übernehmen immer mehr andere Einrichtungen soziale Verantwortung. Mit ihren über 50.000 Helferinnen und Helfern in den Ausgabestellen, die 1,5 Millionen bedürftige Menschen in ganz Deutschland mit übrig gebliebenen Lebensmitteln aus Supermärkten, Bäckereien und Lebensmittelgeschäften versorgen, sind die Tafeln eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der letzten 20 Jahre.

Die älteren Lippstädter und Lippstädterinnen werden sich sicher noch an die Schlange von Hungernden vor der Suppenküche bei der Gaststätte »Hesse« in der Nachkriegszeit erinnern, in einer Zeit echten Mangels. Und sie werden sich vielleicht fragen, ob das heute nötig ist.

Die Träger der Tafeln sehen sich durch die staatliche Unterversorgung von Hilfeempfängern geradezu zur Hilfe gedrängt. Besonders die Einführung von Hartz IV vor 10 Jahren hat die Zahl der Tafeln auf heute fast 900 explosionsartig ansteigen lassen. Überall expandieren die Tafeln und sie versorgen immer mehr Rentner und Migranten, genauso wie Kinder und Alleinerziehende, Geringverdiener und Hartz IV-Empfänger.

Zu Recht verdient das Engagement der Tafeln große öffentliche Wertschätzung, zeigen doch die Helfer/innen ein besonderes bürgerschaftliches Engagement gegen eine staatlich hervorgerufene Unterversorgung. Natürlich sei es eine unbedingte Menschenpflicht zu helfen, wo Not herrsche. Not gäbe es aber nicht in unserem reichen Land, weil es wirklichen Mangel gäbe. Vielmehr ermögliche erst der Überfluss an Lebensmitteln in den Geschäften die Arbeit der Tafeln.

»Deshalb besteht unsere Hilfspflicht auch darin, eine Politik zu schaffen, die das Recht auf soziale Sicherheit und ausreichende Nahrung achtet und erfüllt«, fordert Heinz Gesterkamp ein Umdenken in der Politik. Und Willi Rönnau befürchtet, dass aus Bürgern und Bürgerinnen, die laut Grundgesetz mit Rechten ausgestattet sind, bloße Empfänger von Nahrungsmittelspenden werden, was möglicherweise sogar eher eine passive oder resignative Haltung bei den Hilfebedürftigen fördert. Für die Betroffenen ist die Tafel ein Bild für den eigenen sozialen Abstieg und den Ausschluss aus der Mehrheitsgesellschaft, für die Gesellschaft sei sie dagegen ein sympathisch wirkendes Almosensystem, das ein schlechtes Gewissen entsorgt.

„Uns geht es überhaupt nicht darum, die Tafeln abzuschaffen oder gar die ehrenamtlichen Helfer zu kritisieren, denn sie sind bitter nötig, sondern uns geht es darum, zusammen mit der Caritas und der Diakonie an anderen Orten sowie dem Deutschen Frauenrat eine Debatte über die Aufgaben des Sozialstaats anzustoßen.