Mit Frittenfett und Rindertalg gegen die Erderwärmung ankämpfen?

Sind das nicht schöne Aussichten? Wer zukünftig in Lippstadt Pommes und Schnitzel isst, engagiert sich gleichzeitig für die Verbesserung der CO2-Bilanz der Stadt Lippstadt.

Kann das sein?
Natürlich nicht! Wenn die Bekämpfung der Erderwärmung so einfach wäre, dann hätte wir das Problem gar nicht.

Die Stadt argumentiert damit, dass eine schnelle Umstellung der LKWs des Baubetriebshofs auf alternative Antriebe (gemeint sind wohl in erster Linie Elektromotoren) zu teuer wäre und deshalb (noch) nicht machbar sei. Schließlich müsse sich Klimaschutz auch rechnen. Die vorhandene LKW-Flotte mit dem sogenannten HVO-100 Diesel zu betanken sei deutlich günstiger (ca. 100.000 € p.a.) und würde den CO2-Verbrauch der Stadt in kurzer Zeit drastisch senken.

Auf dem Papier – und damit für Lippstadt – mag das stimmen, aber in der “harten Klimarealität“ ist das Gegenteil der Fall. Das hat mehrere Gründe:

  1. HVO (hydrotreated vegetable oil, hydriertes Pflanzenöl) ist ein Dieselkraftstoff, der aus Ölen und Fetten und durch die Behandlung mit Wasserstoff produziert wird. Letzterer wiederum, wird noch überwiegend mit Erdgans hergestellt.  Das bedeutet, dass die Klimabilanz von HVO100 nicht 90 Prozent besser als fossiler Diesel ist, sondern nur 50 Prozent.
  2. 100 bedeutet, dass der Diesel zu 100 % aus biologischem Material hergestellt wurde, aber die Ausgangsstoffe sind nicht nur Altspeiseöle und Tierfette, wie oft suggeriert wird, sondern auch frisch produzierte Pflanzenöle wie Palmöl & Co. Im Endprodukt ist keine Unterscheidung zwischen den Ausgangsstoffen mehr möglich, sodass illegale Beimischungen frisch produzierter Pflanzenöle kaum beizukommen ist.
  3. Das HVO100 als klimaneutral gewertet wird, hängt auch damit zusammen, dass das CO2, dass bei der Herstellung der ursprünglichen Produkte anfällt nicht mitgerechnet wird.
  4. Die Nachfrage nach Altölen und Tierfetten übersteigt heute schon das Angebot. Die Abfall- und Reststoffe werden häufig bereits von anderen Industrien verwendet, etwa in der oleo(fett)chemischen Industrie zur Produktion von Kunststoffen oder in Tierfutter. Es entstehen Verlagerungseffekte, wie z.B. in der Kosmetikindustrie: Werden Tierfette durch den Kraftstoffmarkt gekapert, sodass in Kosmetika und Seifen verstärkt auf Palmöl ausgewichen werden muss, ist der Tierdiesel in der Gesamtbilanz doppelt so klimaschädlich wie fossiler Diesel.
  5. Abfall- und Restesprit wird laut einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes bestenfalls ein Prozent des Endenergiebedarfs im Verkehrssektor decken können. Wo soll also zukünftig der ganze HVO100 Diesel aus Altfetten herkommen? Zumal die Landwirtschaft, um ihre Klimaziele zu erreichen, deutlich extensiver produzieren und die Tierhaltung reduzieren muss.

Fazit: Die Verwendung von Restesprit ist nichts anderes als Greenwashing und verzögert den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen im Verkehrsbereich. Nötig ist eine grundlegende Mobilitätswende. Wo Antriebe notwendig sind, hat der Elektroantrieb einen deutlichen Klimavorteil gegenüber dem Verbrenner. Andere Städte (siehe Olpe) unternehmen diesen notwendigen Schritt Richtung Klimaneutralität. Wann werden sich diese Erkenntnisse auch in Lippstadt durchsetzten?

Quellen:

https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/verkehr/240409-nabu-verkehr-faktencheck-hvo.pdf

https://h2connect.eco/richtig-oder-falsch-den-grossteil-des-diesels-koennen-wir-mit-hvo-ersetzen-sagt-die-firma-neste/

https://science.apa.at/power-search/5924637999001894679 

https://www.sauerlandkurier.de/kreis-olpe/olpe/elektro-muellwagen-im-probebetrieb-remondis-testet-eactros-im-sauerland-93284576.html